Karatschi, Pakistan — Lass Vögel deine Sorgen wegtragen. Auf der Native Jetty Bridge in Karatschi kommen täglich Einheimische zusammen, um Vögel und Fische zu füttern – als gute Tat.

An einem Nachmittag im April sah ich schwarze Silhouetten am Himmel von Karatschi: Raubvögel, ganze Scharen von ihnen, kreisten über dem Hafen. Es waren Schwarzmilane. Zwischen ihnen flatterten Krähen und Tauben. Ihre Aufmerksamkeit galt einer Brücke, die sich über das Hafenbecken erstreckt: die Native Jetty Bridge.

Karatschi liegt an der Küste des Arabischen Meeres. Es war mal die Hauptstadt Pakistans. Bis heute ist es die größte Stadt des Landes. Als ich diese Mega-City 2007 besuchte, lebten geschätzt 14 Millionen Menschen dort. Heute sollen es über 20 Millionen sein, die meisten davon muslimischen Glaubens. Und täglich besuchen Hunderte von ihnen die Native Jetty Bridge, um dort Vögel zu füttern.
Täglich besuchen Hunderte die Native Jetty Bridge, um dort Vögel zu füttern.

Das Futter: Fleisch oder Teigbällchen. Manche bringen ihre Ration selbst mit. Andere kaufen diese bei Händlern auf der Brücke. Das Futter wird in die Luft geworfen oder auch ins Wasser. Vögel und Fische zu füttern sei eine Art Sadaqa, erklärte mir ein Händler – eine freiwillige gute Tat. Es gehe darum, Allah zu gefallen. Manche wollen so auch ihre Sorgen loswerden oder den bösen Blick abwehren.

Das Ritual hat die Native Jetty Bridge zu einem Ausflugsort gemacht, mit allem, was dazugehört. Auf den Gehwegen entlang der 1854 eingeweihten Brücke und der angrenzenden Promenade namens Port Grand wird Street Food verkauft. Sogar Popcorn habe ich dort entdeckt!

Ich war auf Einiges vorbereitet als ich nach Karatschi reiste. Die Stadt erlebt immer wieder schwere Unruhen. Mal sind sie religiös oder ethnisch motiviert, manchmal einfach nur kriminell. Mir hat sich die Stadt aber ganz anders gezeigt: Überall begegnete ich liebenswerten, lebensfrohen Menschen, die Besuchern wie mir gegenüber aufgeschlossen waren. Kein Argwohn, immer ein Lächeln.

Vögel sind im Koran ein Sinnbild der Schöpfung. Wer sie füttert, tut Gutes – und bekommt dafür vielleicht etwas zurück. Der Händler, mit dem ich sprach, nannte das „Sawab“ (auch „Thawab“ geschrieben). Allgemein wird das mit „Belohnung“ übersetzt.
Vögel sind im Koran ein Sinnbild der Schöpfung. Wer sie füttert, tut Gutes – und bekommt dafür vielleicht etwas zurück.

Karatschi ist das wirtschaftliche Zentrum Pakistans. Dadurch zieht es Menschen aus allen Teilen des Landes an. Sprachen, Kulturen, Küchen und Bräuche kommen hier zusammen. Daher der Spitzname der Stadt: Mini-Pakistan. Doch obwohl in Karatschi die Wirtschaftskraft sitzt, lebt die Mehrheit der Einwohner in Armut.

Die Stadt hat nicht viele Freiflächen. Das macht die Brücke zu einem beliebten Treffpunkt. In der Ferne sieht man die Skyline – für manche ein Ansporn. Andere kommen aus Verzweiflung her. Von der Native Jetty Bridge haben sich schon etliche Menschen in den Tod gestürzt.
Ungeachtet dessen springen immer wieder junge Männer als Show-Einlage hinunter ins träge Wasser des Arabische Meeres. Atemberaubend: Von der Brücke sind es vielleicht 10 Meter bis zur Wasseroberfläche. Wer unbeschadet wieder auftaucht, bekommt Applaus – und manchmal auch ein bisschen Geld von den Zuschauenden.

LKWs und Motorräder knattern vorbei. Es wird gehupt. Aber es gibt hier auch Grün: Mangroven wachsen im dunklen Wasser. Sie leben vom Süßwasser des Indus, einem Fluss, der hier mündet. Buschig und dicht schützen die Mangroven die Stadt vor Stürmen. Und überall dem hört man die Schreie der Vögel.
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Helmut Haase
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